Bundesrechtsanwaltskammer, Bonn / Magdeburg. Die Hauptversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer verfolgt mit Sorge die von der Justizministerkonferenz unterstützten Bestrebungen der Bundesregierung, als Einstieg in eine umfassende Justizreform, das Rechtsmittelsystem in der ordentlichen Gerichtsbarkeit stark einzuschränken. Hierzu hat die Bundesrechtsanwaltskammer auf ihrer 85. Hauptversammlung (22./23.04.99) in Magdeburg folgende Resolution erlassen:
Entscheidender Maßstab für alle Schritte einer Justizreforrn muß die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes für den Bürger sein, nicht eine vermeintliche Einsparung im Personalhaushalt.
Die angekündigte Abschaffung der zweiten Tatsacheninstanz in der Zivilgerichtsbarkeit durch eine Bindung an die Feststellungen der ersten Instanz und Präklusion (Ausschluß) von neuem Vorbringen in der Berufungsinstanz verstößt gegen diesen Grundsatz: l Über 40 Prozent der durch Berufung angegriffenen erstinstanzlichen Entscheidungen werden bisher in der Berufungsinstanz zumindest teilweise abgeändert, regelmäßig auf Grund neuer Gesichtspunkte oder einer geänderten Beweiswürdigung.
Das Verbot neuen tatsächlichen Vorbringens würde zu umfangreichen prozessualen Auseinandersetzungen führen, um die Rechtskraft eines Fehlurteils zu vermeiden; gleichwohl würde eine erheblich größere Zahl unrichtiger Urteile rechtskräftig werden.
Zur Vermeidung der Präklusionswirkung müßten sich die Prozeßbeteiligten in erheblichem Umfang mit vorsorglichem Vortrag und prozessualen Auseinandersetzungen beschäftigen. Die erste Instanz würde dadurch in einer Vielzahl von Fällen weit mehr belastet, als durch eine geringe Anzahl an Berufungen mit begrenztem Prüfungsumfang an Arbeitskraft eingespart würde.
Die Bundesrechtsanwaltskammer ist bereit, an Vorschlägen mitzuarbeiten, wonach die erste Instanz gestärkt wird; sie erwartet aufgrund der praktischen Erfahrungen der Anwaltschaft wie auch aus ihrer Stellung in der Justiz eine frühzeitige Beteiligung an Reformüberlegungen.
Bonn / Magdeburg, den 23. April 1999
Rechtsanwältin Stephanie Beyrich
Geschäftsführerin
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